Das Demokratieförderungsgesetz
Chancen und Risiken in der CDU/CSU–SPD-Koalition
Ausgangslage: Ein Gesetz mit langer Vorgeschichte
Das Demokratieförderungsgesetz (DFördG) sollte ursprünglich einen dauerhaften gesetzlichen Rahmen für Demokratieförderung, Extremismusprävention und politische Bildung schaffen. Trotz breiter zivilgesellschaftlicher Unterstützung blieb es in der vergangenen Legislatur aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken, Koalitionskonflikten und Prioritätsverschiebungen stecken. Nach dem Regierungswechsel 2025 steht die Frage im Raum, ob die neue große Koalition aus CDU/CSU und SPD das Vorhaben wiederbelebt oder endgültig zu den Akten legt.
Politische Positionen von CDU/CSU und SPD
Die SPD unterstützt das Gesetz seit Jahren und sieht darin ein Kerninstrument gegen Polarisierung, Radikalisierung und demokratische Erosion. Die CDU/CSU dagegen war stets zurückhaltender. Ihre Hauptkritikpunkte: mögliche Kompetenzüberschreitungen des Bundes, Gewährleistung politischer Neutralität und die Frage, ob Bundesprogramme dauerhaft institutionelle Förderung leisten sollen.
In der neuen Regierungskoalition treffen damit zwei sehr unterschiedliche Ausgangspositionen aufeinander. Die SPD könnte das Gesetz erneut auf die Agenda heben, doch ohne Kompromissbereitschaft der Unionsfraktion ist eine Verabschiedung nicht realistisch.
Zentrale Streitpunkte in der Koalition
Verfassungsrechtliche Kompetenzfragen
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat mehrfach darauf hingewiesen, dass Demokratieförderung und politische Bildung traditionell in der Kulturhoheit der Länder liegen. CDU/CSU sehen darin ein wesentliches Hindernis für ein starkes Bundesgesetz. Ohne klare verfassungsfeste Konstruktion dürften sie einer Neuauflage nicht zustimmen.
Debatte um politische Neutralität
Die Union fordert strenge Neutralitäts- und Transparenzanforderungen, um auszuschließen, dass staatliche Mittel parteipolitisch gefärbte zivilgesellschaftliche Akteure bevorzugen. Für die SPD ist dies grundsätzlich akzeptabel, aber nur, wenn die Anforderungen nicht in eine faktische Einschränkung kritischer Zivilgesellschaft münden.
Rolle der Bundesprogramme
Während die SPD eine verlässliche, langfristige Strukturförderung anstrebt, plädiert die CDU/CSU eher für projektbezogene Förderung und eine stärkere Kontrollfunktion der Länder. Das macht einen gemeinsamen Gesetzestext anspruchsvoll.
Chancen auf eine Kompromisslösung
Trotz der Widerstände gibt es Faktoren, die eine Einigung begünstigen könnten:
Gemeinsames Sicherheits- und Präventionsinteresse
Angriffe auf demokratische Institutionen, Desinformation, politische Gewalt und Extremismus erhöhen den Druck, präventiv zu handeln. Beide Koalitionspartner müssen handlungsfähig wirken.
Länderinteressen als Brücke
Die Einbindung der Bundesländer könnte ein entscheidender Hebel werden. Ein DFördG, das ausdrücklich die Länder beteiligt, klare Zuständigkeiten definiert und gemeinsame Gremien vorsieht, könnte die verfassungsrechtlichen Bedenken entschärfen und die Union ins Boot holen.
Schlankere Gesetzesfassung
Ein reduzierter Gesetzesentwurf, der weniger auf institutionelle Dauerförderung und stärker auf Leitlinien, Zuständigkeiten und Transparenz setzt, könnte der Union entgegenkommen und dennoch den Kern der SPD-Forderungen sichern.
Gründe für mögliche Blockaden
Geringe Priorität im Regierungsalltag
Trotz politischer Relevanz konkurriert das Gesetz mit Haushaltskonsolidierung, Wirtschaftsagenda und Europafragen. Es besteht die Gefahr, dass das Thema im Tagesgeschäft der Großen Koalition erneut nach hinten rutscht.
Widerstand einzelner Landesregierungen
Da Länderkompetenzen betroffen sind, kann der Bundesrat zum entscheidenden Faktor werden. Widerstand insbesondere von unionsgeführten Ländern könnte das Gesetz erheblich verzögern oder verhindern.
Risiko politischer Polarisierung
Ein Thema, das zivilgesellschaftliche Akteure, politische Bildung und Extremismusprävention umfasst, wird leicht Teil parteipolitischer Auseinandersetzungen. Die Union könnte vermeiden wollen, der Opposition Angriffsflächen zu bieten, indem sie ein umstrittenes Gesetz vorantreibt.
Einschätzung: Realistische Umsetzungschancen?
Die neue CDU/CSU–SPD-Koalition eröffnet zwar ein Fenster für Kompromisse, aber das Demokratieförderungsgesetz bleibt politisch anspruchsvoll. Die SPD dürfte versuchen, das Thema erneut auf die Agenda zu setzen, doch ohne strukturelle Anpassungen ist eine Zustimmung der Union unwahrscheinlich.
Die Chancen auf ein Gesetz in dieser Legislatur liegen realistisch bei mittel, vorausgesetzt:
- der Entwurf wird verfassungssicher umgebaut
- die Länder erhalten verbindliche Beteiligungsrechte
- Neutralitäts- und Transparenzkriterien werden klar definiert
- der Fokus liegt stärker auf Rahmenvorgaben und weniger auf dauerhafter Institutionenförderung
Gelingt dieser Ausgleich, könnte das DFördG nach Jahren der Diskussion erstmals mehrheitsfähig werden. Andernfalls droht es erneut zum politischen Dauerprojekt zu werden, das zwar regelmäßig debattiert, aber nie beschlossen wird.